Akute Rückenbeschwerden, im Volksmund Hexenschuss genannt, sind mit der häufigste Grund warum Patienten einen Chiropraktiker aufsuchen.
Ursprünglich gingen Chiropraktoren davon aus, dass sich beim Hexenschuss ein Wirbel verschiebt, oder dass bei einer unkontrollierten Bewegung ein Wirbelgelenk blockiert. Dieser Vorgang kann man sich gut bildlich vorstellen und ich habe öfters Patienten in der Praxis die glauben, dass ein „Wirbel herausgesprungen“ sei.
Diese Annahme ist jedoch falsch. Wirbel sind sehr gut von Bändern und Muskeln gehalten und geführt, „herausspringen“ kann also nichts. Dies entspräche einer Dislokation, wie man sie im Schultergelenk kennt. Das ist zwar theoretisch möglich, jedoch nur bei einem sehr groben Unfall, und es würde zu heftigsten Schmerzen führen. Der Patient wäre nicht mehr im Stande sich selbst zu bewegen und müsste ins Spital eingewiesen werden.
Das Verschieben ist unter normalen Umständen also ausgeschlossen. Das Blockieren eines Gelenkes ist ebenfalls schwer vorstellbar; dies kommt ab und zu am Kniegelenk vor, so dass der Patient das Bein nicht mehr strecken oder beugen kann. Meist liegt das an einem Meniskusfalz oder an einem Kalksteinchen im Gelenk. Das muss dann operativ entfernt werden. Im Wirbelgelenk ist das so nicht bekannt. Es gibt ja auch keine akuten Zehen- oder Fingerblockierungen.
Aber es gibt Zehen- und Handkrämpfe.
Mit dem Rücken verhält es sich ähnlich. Wenn der Rücken zu wenig kräftig ist; wie bei den meisten Leuten, die den ganzen Tag mit Rückenlehne (- 50% Haltungseffort!) arbeiten, oder überbelastet; wie wenn die selben Leute danach schwere Boxen heben beim Wohnungsumzug, dann kann es zur akuten Überbelastung der Muskulatur kommen.
Was dann passiert kann man sich vorstellen, der Muskel ist überfordert und krampft. Der Krampf ist unmittelbar schmerzhaft, wie ein starkes Stechen bei einem Wadenkrampf. Danach zieht sich die Muskulatur zusammen und es bleibt ein dumpfer Schmerz zurück. Dieser kann sich wieder zum Krampf/Zwicken steigern, wenn der Patient den Muskel anspannt, oder ihm durch zu starke Entspannung die Gelegenheit gibt erneut zu krampfen.
Dieser Krampf kann sich über längere Zeit von selber lösen, jedenfalls dann wenn der Muskel ansonsten kompetent ist. Ist der Muskel jedoch schwach kann es immer wieder zur Überreizung kommen, und der Patient hat manchmal langanhaltende Beschwerden.
Die Muskelverspannung kann mittels gezielter Dehnung des entsprechenden Muskels gelöst werden. Anschliessend sollte der Muskel möglichst trainiert werden, um weitere Verkrampfungen in Zukunft zu vermeiden. Auch das Manipulieren/Knacken kann helfen, da dabei das Wirbelgelenk überdehnt wird, was zu einer Hemmung des Muskels führt (da das Gelenk davon ausgeht, dass es vom Muskel überdehnt wird).
Es gibt auch noch einen weiteren Grund für einen Hexenschuss: das wäre der Aufbau einer Schutzspannung aufgrund einer Nervenreizung. Bei Bandscheiben-Patienten kommt es ebenfalls zu akuten Verspannungszuständen der Muskulatur, da starke Schmerzen auftreten wenn der Nerv irritiert wird. Das kann auch dann der Fall sein, wenn keine Ausstrahlungen in die Beine auftreten. Dies sollte vom Arzt abgegrenzt werden gegen eine rein muskuläre Ursache, da eine Behandlung mittels Nervenmobilisation nötig ist, und dem Patienten gezeigt werden muss, wie er den Rücken vor Irritationen schützen kann.
Das chiropraktische Gelenksknacksen bei Hexenschüssen hat also seine Berechtigung, sollte aber nie die einzige Therapie sein. Um die Beschwerden nachhaltig zu bessern sollte der Chiropraktor oder Arzt Ihnen Dehn- und Kräftigungsübungen zeigen um den betroffenen Muskel zu trainieren oder die ursächliche Nervenreizung mitbehandeln.
Siehe auch Hexenschuss oder Bandscheibenvorfall?