Bandscheibenvorfall

Ich dachte ich nehme mir die Zeit in diesem Blog die Diskushernie und Bandscheibenvorfälle ein wenig ausführlicher zu beleuchten. Viele meiner Patienten haben oder hatten bereits einen Bandscheibenvorfall.

Klinisch/praktisch versteht man darunter starke Rücken- und meist noch stärkere Beinschmerzen, die von einem eingeklemmten Nerv ausgehen. Die Beschwerden sind meist einige Wochen oder sogar ein bis zwei Monate akut und bessern dann unter Therapie, oder sogar langsam ohne Therapie (ca. 80-90 % der Bandscheibenvorfälle sind nach einem Jahr ohne Behandlung schmerzfrei). Es gibt also keinen Grund diese Hernien zu operieren. Einzige Ausnahme sind solche Hernien die Lähmungen in den Armen oder Beinen verursachen, oder Blasen-/Stuhlgangs-Inkontinenz.  Diese sollte man sofort operieren um Schäden an den Nerven zu verhindern (siehe Cauda equina Syndrom).  Bei allen anderen Bandscheiben Leiden hat man Zeit.

Unglücklicherweise sehe ich in letzter Zeit jedoch immer mehr Patienten, die vor 2,3 oder gar 10 Jahren einen Bandscheibenvorfall erlitten haben, und noch immer glauben, dass dieser jedes Jahr oder alle paar Monate zurückkommt.

Es gibt auch Patienten die nie richtige Ausstrahlungsschmerzen in die Arme oder Beine hatten und ein MRI bekamen aufgrund von Nacken- oder Rückenschmerzen, bei denen ein Bandscheibenschaden festgestellt wurde. Diese Patienten glauben dann oft irrtümlich sie hätten Beschwerden aufgrund der Bandscheiben Degenerationen.

Es ist jedoch so, dass die Bandscheiben mit der Zeit Schaden nehmen. Dies ist ein normaler Alterungsprozess, praktisch alle Senioren haben keine regelmässigen, vollen Bandscheiben mehr, und auch viele Leute in ihren 30ern und 40ern haben Verschleisserscheinungen. Die allermeisten dieser Menschen haben jedoch keine Beschwerden.

Es ist deshalb nicht hilfreich das vermeintlich schlechte MRI/Röntgenbild zu behandeln, und dem Patienten einzureden er habe einen bleibenden Schaden am Rücken.

Echte Bandscheiben-Schmerzen sind sehr oft schlechter in der Beugung der Wirbelsäule; sie reagieren schlecht auf langes, gebücktes Sitzen und auf Krafttraining mit hoher Rückenkompression (Rumpfbeugen, Krafttraining mit gerundetem Rücken). Langes Sitzen und gebückte Haltung unter Last sind denn auch der Auslöser für Bandscheiben-Schäden. Falls Sie bei solchen Auslösern Schmerzen haben ist es wahrscheinlich, dass Druck der Bandscheiben auf die Nerven bei Ihren Rückenschmerzen eine Rolle spielt; sogar wenn das MRI keine grosse Hernie aufzeigt.

Ich bin während meinem Studium selbst über mehrere Jahre viel gesessen und habe nebenbei Krafttraining gemacht, das aus heutiger Sicht klar schädlich ist für den Rücken; das Resultat ist, dass es bei mir in diesem Jahr zu Ausstrahlungsschmerzen und Taubheit bis in den rechten Fuss kam als ich meinen Sohn längere Zeit bergauf trug. Mit konsequenter Entlastung, mit aufrechter Haltung und der täglichen Mobilisation des Nerves konnte ich jedoch ohne Arbeitsausfall weiterarbeiten, und bin nun meist auch nach sportlicher Aktivität schmerzfrei.

Es besteht also durchaus Hoffnung auf ein normales Leben mit Bandscheibenvorfällen, wenn man sich den Gegebenheiten richtig anpasst.

Siehe auch Hexenschuss oder Bandscheibenvorfall?